Den ganzen Frust bekam die Eckfahne zu spüren. 68 Minuten lang hatte Julian Lüttmann am Sonntag im Spiel beim FC Gütersloh 2000 auf der Auswechselbank geschmort. Erst beim Stand von 0:2 hatte Trainer Klaus Bienemann ein Einsehen und schickte seinen Torjäger aufs Feld. Lüttmann ließ seine ganze Wut raus, setzte die gegnerischen Abwehrspieler permanent unter Druck und traf schließlich doppelt. Nach dem entscheidenden Treffer zum 3:2-Sieg jubelte Julian Lüttmann zunächst verhalten, um dann den ganzen angestauten Frust an der Eckfahne auszulassen. Die überlebte den berherzten Tritt nicht. Die gelbe Karte, die er dafür von Schiedsrichter René Kunsleben aus Hamm sah, spielte keine Rolle. Die Sportfreunde Lotte hatten dank Julian Lüttmann ein verloren geglaubtes Spiel gedreht und noch mit 3:2 gewonnen.
Die Sache mit der Eckfanhe tut mir leid, zeigte sich der Torschütze anschließend als reuiger Sünder. Das war eine ganz spontane Sache. Ich war wirklich sauer, dass ich nicht von Anfang an gespielt habe. Und nach meinem zweiten Tor habe ich meine Wut rausgelassen. Trainer Klaus Bienemann verfolgte die Situation genüsslich von der Tribüne aus. Dorthin hatte ihn der Schiedsrichter wegen zu heftigen Reklamierens verbannt. Bienemann hatte sich vor dem Abpfiff für Gunvald Herdin und gegen Julian Lüttmann als einziger Spitze entschieden. Lüttmann habe sich im Training zu sehr hängen lassen und sich im Gegensatz zu Herdin nicht aufgedrängt, begründete der Trainer seine Entscheidung. Wenn dann solch eine Reaktion kommt, bin ich natürlich zufrieden. Der Julian hat die richtige Antwort gegeben. So wünsche ich ihn mir immer.
Mit nunmehr elf Treffern liegt der Hörsteler an zweiter Stelle der Oberliga-Torschützenliste. Ein Indiz, das für ihn spricht. Auch, dass er immer spielen will. Wenn ich auf der Bank sitze, bin ich sauer, äußert der 24-Jährige. Akzeptiert hat er die Entscheidung des Trainers dennoch, in Gütersloh nicht zur ersten Elf zu gehören. Allerdings schränkt er ein: Der Trainer entscheidet sich häufig zwischen Gunni und mir als einziger Spitze. Aber am Sonntag hat man gesehen, dass wir auch gut zusammenpassen.
Damit hat der Goalgetter durchaus Recht. Nach seiner Einwechslung entwickelte die Offensive der Sportfreunde größeren Druck. Julian Lüttmann hat dabei schnell erkannt, wie die bis dahin sattelfeste Gütersloher Deckung zu knacken ist: Der Platz war ja in einem sehr schlechten Zustand. Beiden Mannschaften sind viele Patzer unterlaufen. Da mussten wir einfach noch mehr Gas geben und die Abwehrspieler immer wieder anlaufen und zu Fehlern zwingen. Dadurch sind die ins Flattern gekommen.
Dass ausgerechnet ihm die beiden entscheidenden Tore gelungen sind, war für ihn zweitrangig. Wir gewinnen als Mannschaft. Das haben wir am Sonntag getan und dabei eine außergewöhnliche Moral bewiesen.
Das hatten die Sportfreunde auch schon im Hinspiel. Damals lagen sie bereits mit 0:4 gegen die Ostwestfalen zurück, ehe die Kicker vom Autobahnkreuz die Ärmel aufkrempelten und bis auf 3:4 herankamen. Im August vergangenen Jahres reichten drei Treffer in der Schlussphase nicht. Am Sonntag bescherten drei Treffer den Sportfreunden einen wichtigen Sieg. Und wenn dann mal eine Eckfahne dran glauben muss, ist das eine Randgeschichte, mit der nicht nur Julian Lüttmann, sondern auch Trainer Klaus Bienemann ganz gut leben können.
Quelle: Westline